Donnerstag, 25. Juni 2015

Petition gegen Bundesjugendspiele?!

Hallo alle miteinander,

...seit einigen Tagen geistert folgendes Thema in den Medien herum:

PETITION ZUR ABSCHAFFUNG DER BUNDESJUGENDSPIELE

...als ich gestern im Radio hörte, dass "eine Mutter" eine Onlinepetition gestartet hat zur Abschaffung der BJS wusste ich zunächst nicht ob es ernst, sarkastisch oder was auch immer gemeint war, aber anscheinend ist es ernst... *waas?*

Hintergrund wäre, dass die Kinder "frustriert" an den BJS teilnehmen bzw. wiederkommen nachdem sie "nur" eine "Siegerurkunde" bekommen (haben). Darüber hinaus wären die BJS nicht mehr zeitgemäß etc. etc. Sie selber wäre genauso gewesen, hätte nur negative Erinnerungen daran usw. usf...man müsste sie (die Kinder) davor schützen. *waaas?*

Was sagt DAS eigentlich aus? Aber zunächst...

BESTANDSAUFNAHME BJS

Zunächst einmal wurden vielerorts die BJS in "Sportfest" umbenannt - was ich halbwegs noch nachvollziehen kann, obwohl ich "Leichtathletikfest" oder "LA Wettkampf" besser fände, falls man dort auf die klassichen Disziplinen / Übungen setzt. Gleichwohl wurden an vielen Schulen bereits die "harten" Kriterien des Messens, Stoppens & Auswertens beiseite gelegt und es gibt nur noch 1., 2., 3., 4., 5., 6. "Sieger" im Laufen, "Zonen Springen", "Teilnehmerurkunden" usw. usf. ...um bereits jetzt bloß keine Leistungen vergleichen zu können um niemanden zu "frustrieren"?!

Würde man eine professionellen Auswertung über alle Veranstaltungen der letzten 10-15 Jahre führen, wäre die Statistik / Entwicklung wahrscheinlich mehr als ernüchternd!

BESTANDSAUFNAHME FÄHIGKEITEN DER KINDER

Durch meine fast 10jährige (freie) Tätigkeit im schulischen Umfeld an Grund- und weiterführenden Schulen kann ich folgendes feststellen:

Kinder könnnen:
- keine Purzelbäume mehr
- kein Seil / Stange hochklettern
- nicht Werfen / Stoßen
- scheitern bereits am Überwinden von 3-4teiligen Kästen
- nicht mehr (rückwärts) Balancieren
- haben mangelnde Ausdauer
- sind unkoordiniert
- sind orientierungslos im Raum
- haben kein Distanzgefühl
- haben wenig Stützkraft & Körperspannung
- kaum auf einem Bein hüpfen / stehen
- keine Bälle / Gegenstände einschätzen & fangen
- sich nicht in Mannschaften integrieren
- keinen Teamgeist entwickeln
- die Leistung von anderen respektieren / honorieren
- sich nicht mehr Entschuldigen
- für ihre Fehler einstehen
- ...diese Liste ist noch leicht fortsetzbar!

BESTANDSAUFNAHME SPORTUNTERRICHT

Es gibt sicher leuchtende Beispiele im positiven Sinne, aber in den vergangenen Jahren sieht meine erlebte Realität meist so aus, dass der Sportunterricht geprägt ist von unangeleitetem "freiem Beschäftigen", "Rollbrettfahren" (nein, kein Skateboard),  "Pedalos", "Pferdchen spielen" (Mädchen), "Kicken" (Jungs). Fertig!!!

Darüber hinaus befinden sich mittlerweile in nahezu jeder Klasse Kinder bei denen man vor der Wahl steht - sagen wir diplomatisch - die Gruppe zu schützen oder die Person vor sich selber. Alleine darüber ließe sich vortrefflich eine eigene Diskussion führen...wie auch immer...notorische Turnsachenvergesser...Entschuldigungen wg. Müdigkeit (!!!) der Kinder oder ähnlichen "gravierenden" Umständen sind nicht ungewöhnlich...

Dazu kommt, dass oft nur eine Doppelstunde (90min) pro Woche zur Verfügung steht und diese teilweise auch auf jeweils zwei 45minütige Stunden aufgeteilt wird. Es bleiben im Falle der Doppelstunde ca. 65min und von der (schul)einstündigen Einheit noch 20-25min Bewegungszeit (!!!) durch Gang in die Sporthalle und Umziehen. Das Fass "fachremder Unterricht" mache ich gar nicht erst auf. Für die BJS wird im Vorfeld meist alibi-mäßig 1-2 Wochen vorher "geübt"... Aber muss ich mich dann wundern dass es bei den BJS zu diversen Situationen kommt?

ANDEREN REALITÄTEN INS AUGE BLICKEN

Kinder "könnnen" dafür:
- bereits im Kindergartenalter mit dem Tablet umgehen
- 10% der 3jährigen surfen im www
- haben in der Grundschule schon Smartphones
- Fernseher und Spielkonsole(n) im Zimmer
- stundenlang (unbeaufsichtigt?!) im Internet surfen
- Langeweile haben sobald o.g. Sachen nicht verfügbar sind
- ...diese Liste ist ebenso leicht fortsetzbar!

Lieber strebt man danach, dass den Kindern der reguläre Lernstoff eingetrichtert wird ohne Ende, 2. oder 3. Fremdsprache im Kindergarten, am besten schon in der zweiten Klasse mit dem internationalen Vergleich & PISA daherkommen, "Bulemie-Lernen" an der weiterführenden Schule und mit der Globalisierungsfahne winken!

Gibt es aber adäquate, hochqualitätive Sportprojekte / Angebote die den vorgenannten Problematiken entgegenwirken, sind nur wenige bereit zusätzliche Kosten zu übernehmen. (Öffentliche) "Schule darf kein Geld kosten", "...die Eltern sind schon genug belastet" (Milchgeld, Kopiergeld, Ausflug), "...die haben doch Sportunterricht"...sind das nur einige der "Argumente" die einem von verschiedenen Seiten entgegenschlagen.  

Ich finde DAS sollte die Eltern viel mehr alarmieren und zum Nachdenken anregen!!!!

Die v.g. Liste sind nur die "Hard(ware) Facts". Hier möchte ich auf die "Soft Skills" (bzw. deren negativer Beeinflussung) der Kinder bewußt nicht stark eingehen - vielleicht nur verbunden mit den Fragen, woher sie DIESE denn bekommen? Oder sind Eltern womöglich gar nicht alarmiert weil die v.g. Sachen zu den eigene Handlungsweisen gehören? Dazu vielleicht eine Lebensweise mit wenig Bewegung / ohne sportlicher Betätigung? Hört aber warscheinlich keiner gerne?!

Die Kinder sind der Spiegel von (uns) Eltern und (unserer) Gesellschaft in der sie leben. Und das ist ein Fakt! WIR sind es doch, die den Kindern (sportliche) Angebote machen müssen, Kindergarten, Schule, Verein aber ZU ALLER ERST ELTERN UND FAMILIE!

Muss ich meine - möglicherweise - negativen Erfahrungen (mit den BJS) auf andere projizieren und (meine Kinder) in gleicher Weise (negativ) beeinflussen? Oder gebe ich "der Sache" eine neue Chance, blicke der Realität ins Auge und helfe es (meinen Kindern) richtig einzuordnen? Wir müssen (unseren) Kindern den Weg und dem Umgang mit allem zeigen, mit Siegen & Niederlagen, mit Erfolg und Misserfolg!

LÖSUNGEN?!

Zunächst mal - Sport & Bewegung ist IMMER zeitgemäß! Guter Sportunterricht / Trainingsstunde ist harte Arbeit! Man muss sich Gedanken machen und vorbereitet sein. Fleissig, kreativ & attraktiv aufbauen. Vorbild sein. Dazu gehört auch Schwitzen und Ächzen wenn man die guten alten Turngeräte benutzt, denn in der Materialgarage nutzen sie wenig. Schule & Vereine müssen sich öffnen für externes, professionelles Personal.

Speziell Leichtathletik ist / kann so ein atraktives und vielfältiges Thema sein. Alleine mit der methodischen Vermittlung des Werfens oder Springens kann (muss!) man zig Unterrichtseinheiten über Wochen interessant gestalten. Warum bilden Leichtathletikvereine ihre Kinder / Sportler über Jahre aus - weil man es auch in einer Woche lernen kann?!

Ketzerischer Vorschlag: Kinder werden täglich teilweise wenige 100m mit dem Auto zur Schule gefahren / abgeholt. Einfach einen Monat "per pedes" und schon hat man z.B. die Gebühr für eine AG oder Verein?! Gleichzeitig bewegen sie sich bereits vor dem Unterrichtsbeginn, können ggf. ihre ersten Gespräche vor dem Unterricht führen, lernen Verantwortung und Pünktlichkeit. Stattdessen gibt es "Gleitzeit" oder "flexiblen Schulbeginn"! Aus der Erfahrung heraus kommen "Zuspätkommer" immer zu spät...egal wie groß das Zeitfenster ist...aber ich schweife ab... :-)

In der Schule stehen die Kinder nahezu täglich vor "Herausforderungen" die sie sehr gut, weniger gut, mittelmäßig oder schlecht beherrschen - in ALLEN REGELFÄCHERN! Das ist Schule. Das ist das Wesen eines Lernprozesses. Dies wird an der weiterführenden Schule bis zu Abschluss so bleiben. Und sehr warscheinlich im Beruf und darüber hinaus. ES IST NORMAL - SO IST DAS LEBEN!

Und welche bessere Möglichkeit gäbe es (für Kinder), als sich im Sport all diese Fähigkeiten wie Freude, Stolz, Mut, Trauer, Schmerz, Niederlage, Ausdauer, Stärke, Erfolg, Zielstrebigkeit, Motivation, Teamgeist, Fairness, Glück, Spielfreude, Widerstandskraft, Experimentierfreude, Cleverness, Gewitzheit usw. usf. anzueignen, zu erleben, auszuprobieren und im "echten" Leben einzusetzen?!

Welches Signal geht für unsere Kinder davon aus, wenn man den Besseren / Sieger nicht als solchen akzeptieren / respektieren kann? Woran sollen unsere Kinder wachsen, wenn man ihnen nicht zeigt wo ihre (Verbesserungs)möglichkeiten und Potenziale liegen? Woran orientieren sie sich, wenn alle "Sieger" sind? Warum versuchen wir sie in Watte zu packen und vor allen "Härten" des Lebens fernzuhalten und sie weichzuspülen? Vielmehr als der Sieg - der immer süß schmeckt - wecken die Niederlagen und der Umgang damit unsere Fähigkeiten & Motivation!

Wir können sie in den ersten Jahren nur bestmöglich mit allen Dingen ausstatten und konfrontieren, die wichtig und nützlich sind - danach müssen wir sie "ziehen lassen" und können sie nur noch (erstaunt) auf ihrem Weg begleiten...! Siege und Niederlagen gehören dazu. Sport ist eines der besten Mittel dies zu lernen.

In diesem Sinne..."

...das musste mal raus! :-)

M.P.

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